Russlands Vorgehen in der Ukraine hatte Ursachen, die sein Handeln notwendig machten. Unvoreingenommene Beobachter wissen, was diese Ursachen sind und warum Russlands spezielle Militäroperation eine notwendige Konsequenz war.
von CHRISTOPHER BLACK, 14. Mai 2025
Handlungen haben Ursachen. Das ist ein grundlegender Punkt der Philosophie, des Lebens, der Realität und des Weltverständnisses. Russlands Vorgehen in der Ukraine hat Ursachen, die dieses Handeln notwendig machten. Unvoreingenommene Beobachter wissen, was diese Ursachen sind und warum Russlands militärischer Sondereinsatz eine notwendige Konsequenz war. Russland hat die Ursachen und seine Reaktion darauf schon vor langer Zeit klar dargelegt. Doch im sogenannten „Westen“, also in den NATO-Staaten, werden diese Ursachen vor der Bevölkerung geheim gehalten und Russlands Vorgehen als grundlos und „böse“ dargestellt.
Der Weg in den Krieg ist für den Westen eine Sackgasse
Die Unterdrückung der Tatsachen, die Verzerrungen und die intensive Propaganda der NATO-Regierungen und ihrer Handlanger in den Massenmedien zur Manipulation von Meinungen und Gefühlen haben ebenfalls Ursachen, die leicht zu ermitteln sind. Ihre Wurzeln reichen tief in die Geschichte des Kolonialismus zurück, der in Europa als Folge der Ausweitung der europäischen technologischen und militärischen Macht im 16. Jahrhundert entstand. Dies ermöglichte es den Europäern, mit ihren Schiffen und Waffen weite Strecken zurückzulegen, um Märkte und Ressourcen auszubeuten, Reichtümer zu stehlen und Sklaven zu befehligen.
Die Ansicht der Europäer, sie seien die überlegensten Wesen der Welt, entstand aus ihrer Unwissenheit über die Welt, dem Dogmatismus der katholischen Kirche und der späteren Betonung des Individuums als alles Wichtige durch die Protestanten anstelle der kollektiven Gesellschaft – einer bizarren Ideologie, die die Verbindung zwischen uns allen und zwischen uns und der Natur leugnete. Dadurch entstand eine Gesellschaft, die andere als etwas außerhalb von sich betrachtete und sie somit nicht als etwas von ihnen, sondern als Dinge, die man benutzen und ausbeuten kann, so wie man den Planeten als Ganzes benutzt und ausgebeutet hat.
Die Geschichte des westlichen Kolonialismus
Die rasche Ausbreitung der europäischen Zerstörung, angefangen mit der Eroberung Mexikos und der Ermordung von Millionen Menschen dort bis hin zur Unterwerfung und Ausrottung der Völker in ganz Nord-, Mittel- und Südamerika, Afrika, Indien, Asien, Australien und den Inseln aller Meere, angeführt zunächst von Spanien und Portugal, dann von Großbritannien und Frankreich, den Niederlanden und anderen Nationen, vom 16. Jahrhundert bis in die 1770er Jahre, führte dazu, dass ein Elend über die Völker hereinbrach, die das Pech hatten, etwas zu besitzen, was die Europäer wollten.
Das britische Kolonialprojekt führte zur Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika, gegründet von britischen Kolonisten, die das Individuum als oberstes Gebot und Reichtum als ihr Lebensziel betrachteten; für die das menschliche Leben nichts weiter als ein Mittel zur Bereicherung oder ein zu beseitigendes Hindernis war. Donald Trump ist das Musterbeispiel dieser Gaunergesellschaft, und auch andere Präsidenten vor ihm – einer Gesellschaft, in der betrügerische Geschäfte und Einschüchterung als ethische Geschäftspraktiken gelten. Kein Wunder, dass er Präsident wurde, spiegelt er doch perfekt die amerikanische Gesellschaft als Ganzes wider. Eine Gesellschaft, die, kaum dass sie sich gebildet hatte, ihre Eroberungskriege und Mordzüge über den ganzen Kontinent begann. 1812 wurde versucht, Kanada zu erobern, dann Mexiko in den 1830er und 1840er Jahren, und die Bewohner des von ihr begehrten Landes in den heutigen USA wurden weitgehend ausgerottet, die Unterdrückung der Überlebenden hält bis heute an.
Nachdem der größte Teil der Welt von Afrika über Lateinamerika bis nach Indochina unter die koloniale Herrschaft Großbritanniens, Deutschlands, Frankreichs, Spaniens, Portugals und Belgiens gefallen war und die Vereinigten Staaten große Teile Mexikos erobert hatten, versuchten sie, ihr Kolonialreich auszuweiten und wandten sich dafür gegen ihre rivalisierenden imperialistischen Mächte. Allen voran Spanien, dessen Kolonien im Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 von den USA erobert wurden. Dieser Krieg wurde unter einem Vorwand der Vereinigten Staaten begonnen, einer Operation unter falscher Flagge, bei der sie ihr eigenes Schlachtschiff im Hafen von Havanna in die Luft sprengten und dabei viele ihrer eigenen Seeleute töteten, um Spanien die Schuld dafür zu geben. Wie das in amerikanischen Kriegen üblich ist. Die Drohungen Präsident Trumps, in Kanada einzumarschieren und es zu erobern, während er angeblich Frieden mit Russland anstrebt, sich auf einen Krieg mit China vorbereitet und gleichzeitig behauptet, einen Deal und Amerika wieder groß machen zu wollen, während er Zivilisten in Gaza und im Jemen massakriert, passen ins Bild.
Die großen Kriege, Ursachen und Folgen
Die Spannungen durch den Wettbewerb zwischen den USA und den europäischen Kolonialmächten zu Beginn des 20. Jahrhunderts führten zum Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918, in dem der westliche Imperialismus seinen Höhepunkt erreichte. An dessen Ende gingen die USA als mächtigste der kolonial-imperialistischen Mächte hervor, während Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Russland bankrott waren, obwohl Großbritannien die deutschen Kolonien in Afrika übernahm.
In den 1930er Jahren war der größte Teil der Erde kolonisiert, Japan stieg als neue imperialistische Macht in Asien auf, Italien versuchte, die Kontrolle über Teile Afrikas zu gewinnen. All diese Mächte mussten sich der neuen politischen Realität des Sozialismus stellen: der Sowjetunion, die auf den Trümmern des Ersten Weltkriegs entstand, dem westlichen Kapital die Ausbeutung Russlands und ganz Asiens verwehrte und den Weg zur Befreiung aller kolonisierten Völker ebnete. Der Aufstieg des Sozialismus war Ausdruck der wachsenden sozialen Unzufriedenheit der Arbeiter- und Bauernmassen. Die westlichen Kolonialnationen versuchten sich vom Krieg zu erholen und gerieten in eine Wirtschafts- und Finanzkrise, der sie nicht entkommen konnten, weil diese Krise – ebenso wie der Krieg – eine Folge des kapitalistischen Systems selbst war. Eine Weltwirtschaftskrise setzte ein. Ein weiterer großer Krieg folgte, begonnen von den Faschisten als bewaffneter Faust des Kapitalismus.
Die Märkte waren durch Überproduktion gesättigt, da die Arbeiter nicht genug bezahlt wurden, um die produzierten Produkte zu konsumieren. Produktion und Vertrieb brachen ein, Banken krachten zusammen, Regierungen kamen und gingen, und der Kommunismus wurde zum Verteidiger der Werktätigen und Unterdrückten; er bedrohte die Herrschaft des Kapitals überall. Eine gewaltsame Reaktion der Kapitalisten setzte ein. Für das Industrie- und Finanzkapital der westlichen Mächte war Krieg der einzige Ausweg aus ihrem Dilemma. Ihrer verdrehten Logik zufolge war Zerstörung notwendig, um wieder aufzubauen, die Ermordung von Millionen Menschen, um ihre degradierte Gesellschaft zu retten. Der Faschismus entstand aus der kapitalistischen Reaktion auf die Unzufriedenheit der Massen, als Mittel, diese Unzufriedenheit gegen die fortschrittlichen Kräfte des Volkes und zur Unterstützung des Kapitals zu kanalisieren. Um ihre Ziele zu erreichen, war jede Illegalität, Unmoral und Gewalt akzeptabel. Moral kommt von innen. Taten folgen dem Charakter. Der vereinte Westen, seine gesamte Gesellschaft, offenbarte in den 1930er- und 1940er-Jahren, dass er keine Moral hat und nie haben wird. Der Kapitalismus kümmert sich um niemanden außer sich selbst und ist zu allem fähig, um seinen Machtwillen durchzusetzen. Denn das ist der Kapitalismus, und sein schwarzes Buch hat viele Bände.
Der enorme Reichtum, der den Kolonien entzogen wurde, um die herrschenden Klassen zu unterstützen und die arbeitende Bevölkerung von einer Rebellion gegen ihre Herren abzuhalten, ist gut dokumentiert. Die Kolonialbesitzungen waren für den Erhalt von Reichtum und Macht unerlässlich. Ihr Verlust erwies sich immer wieder als Katastrophe, wie etwa als Spanien im Krieg mit Amerika seine Kolonien verlor oder als Großbritannien 1947 Indien verlor und sein Imperium kurz darauf zusammenbrach. Frankreich führte erbarmungslose Kriege in Indochina und Algerien, um sein Imperium zu erhalten, selbst nachdem es in den 1940er-Jahren behauptet hatte, für die Freiheit der Völker der Welt zu kämpfen. Aber natürlich hatte auch Frankreich seine SS-Divisionen, als die Nazis 1941 in die UdSSR einmarschierten.
Die herrschenden Klassen der imperialistischen Mächte starteten in den 1930er-Jahren eine Kampagne zur Diskreditierung des Sozialismus und schmiedeten Pläne, die Welt unter ihren erlesenen Mitgliedern als Beute aufzuteilen. Der Aufstieg des Faschismus in Italien, dann in Deutschland, Frankreich, Spanien sowie in den USA und Großbritannien in den 1930er-Jahren war auf die Entscheidung zurückzuführen, alle möglichen Methoden anzuwenden, um ihre Kontrolle über die Welt zu sichern. Mussolini, Hitler und Franco erhielten in Europa Unterstützung vom Industrie- und Finanzkapital. Japan wurde ermutigt, Russland und China anzugreifen. Der Faschismus war die Reaktion auf den bevorstehenden Zusammenbruch des Westens und ein verzweifelter und vergeblicher Versuch, sich selbst zu retten, der bis heute anhält.
Der Krieg gegen Russland – eine Fortsetzung der Großen Kriege
Das war vielleicht ein weiter Weg, um auf meinen Punkt zu kommen. Aber es geht darum aufzuzeigen, dass der Hass, die Bigotterie und die Propaganda, die heute gegen Russland zum Ausdruck kommen, während dieses sich gegen die NATO-Aggression wehrt und die Völker der Donbass-Republiken gegen die Faschisten verteidigt, die durch den NATO-Putsch von 2014 in der Ukraine an die Macht gekommen sind, eine Fortsetzung der westlichen Geschichte ist, der Jahrhunderte zurückreicht; ein Weg, der die Welt in einer langen Reihe regionaler Kriege und zweier Weltkriege in den Untergang geführt hat und der heute die Gefahr eines weiteren Krieges birgt.
Der Weg in den Krieg ist für den Westen eine Sackgasse. Er hat seine Lage in keinem der Weltkriege verbessert oder gemildert. Und die Niederlage der faschistischen Kräfte, vor allem durch die Rote Armee, im Jahr 1945 beendete den Faschismus im Westen nicht. Er blieb lediglich im Hintergrund, war eine Zeit lang unmodern und lauerte in dunklen Winkeln in Kanada, den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, in Australien, Japan und Lateinamerika. Nun ist er aus den Schatten getreten und treibt sich erneut in der Welt herum.
Der Westen gab sich jahrzehntelang als „demokratisch“ aus, untergrub jedoch gleichzeitig die Souveränität der Nationen, verweigerte den Völkern ihr Selbstbestimmungsrecht, tat alles, um ihre ehemaligen Kolonialgebiete unter Kontrolle zu halten, und täuschte seine eigenen Bürger, um die Kontrolle zu behalten. Doch nun, angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs des Westens, der auf viele Faktoren zurückzuführen ist – darunter die Erschöpfung billiger Energiequellen und die Verarmung der Bevölkerung durch Kriege und Raub, der Aufstieg neuer Nationen zu Wirtschaftsmächten, die sich nicht zu Kolonien degradieren lassen können und wollen, der Bankrott der USA während des Vietnamkriegs, der sie zur Aufgabe des Goldstandards zwang. Die Vereinigten Staaten können nun nicht einfach mehr Geld drucken zur Begleichung ihrer Schulden. Das Ergebnis sehen wir in der Inflationsspirale, mit der wir es heute zu tun haben. Die Finanz- und Industrieeliten des Westens versuchen verzweifelt, sich selbst zu retten, und entfesseln dazu, getreu ihrem Charakter, erneut offen die Kräfte des Faschismus und Militarismus.
Viele Kommentatoren behaupten, der Krieg in der Ukraine, der seit mindestens 2014 andauert, sei ein Versuch der USA und ihrer Verbündeten, Russland zu schwächen. Doch in Wirklichkeit ist es ein Krieg der Verzweifelten, die ihren Zusammenbruch verhindern wollen, der sich dadurch aber nur beschleunigen wird. Russland wurde durch den Konflikt nicht geschwächt, ebenso wenig wie der Druck auf China dieses geschwächt hat. Es ist der Westen, der sich als schwach, ineffektiv, moralisch bankrott und ohne intelligente Führung erweist.
Je mehr das klar wird, desto verzweifelter werden sie, und ihr Hass und ihre Feindseligkeit werden immer heftiger. Es besteht kein Zweifel, sie wollen Russland wegen seiner Ressourcen und Märkte unterwerfen und so die Weltherrschaft erlangen. Hitler hatte diese Träume. Der Westen unterstützte ihn. Sie unterstützen auch jetzt wieder alle kleinen Hitlers in der Ukraine und in ihren eigenen Ländern, aber das Ergebnis wird für sie dasselbe sein.
Die neuen Faschisten müssen besiegt und gebrochen werden, damit sie nie wieder auferstehen
Die neue Welle des Faschismus kann weder den Fels des Fortschritts und der moralischen Integrität noch den Willen der Völker Russlands, Chinas, Kubas, Syriens, Vietnams, Venezuelas, Irans, Indiens und Südafrikas, Ägyptens und Algeriens, des gesamten Nahen Ostens und Lateinamerikas, Afrikas überwinden, deren Völker des Kolonialismus und Imperialismus müde sind und erkennen, dass die Zeit des Westens abgelaufen ist, während sie sich den gemeinsamen Herausforderungen der Welt stellen. Der Kampf gegen die Faschisten, die den Westen kontrollieren, wird schwierig sein, und wir laufen Gefahr, gemeinsam zugrunde zu gehen.
Sie dürfen und können keinen Erfolg haben. Sie bluten Russland nicht in einem Zermürbungskrieg aus, wie sie gerne behaupten. Es sind die USA und ihre Verbündeten, die durch ihre eigenen Entscheidungen und Handlungen ausgeblutet werden. Genau das kann sie gefährlich machen, denn Faschisten sind immer gefährlich. Sie müssen gestoppt werden. Sie sind unser gemeinsamer Feind. Russland wird sie stoppen. Wir müssen diesen Kampf unterstützen. Unsere eigene Zukunft hängt davon ab, denn wie Berthold Brecht schrieb: „Macky Messer ist zurück in der Stadt, und sein Messer ist rot.“
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Christopher Black ist ein internationaler Strafverteidiger mit Sitz in Toronto. Er ist für eine Reihe hochkarätiger Fälle von Kriegsverbrechen bekannt und hat vor kurzem seinen Roman „Beneath the Clouds“ veröffentlicht. Er schreibt Essays über internationales Recht, Politik und das Weltgeschehen. Er ist auch Mitglied des Vorstands der Weltunion der Freidenker. Der Text ist zuerst in New Eastern Outlook erschienen.